„All diese Räume für eine Person?“

Eßlinger Zeitung 22. Juni 2010

Esslingen: Frauen aus Kenia besuchen mit Landfrauen kleine Bauernhöfe

„Erstaunt war mein Team darüber, dass es hier so viele alte Menschen gibt. Bei uns sterben die Leute früh.“ Perez Odera lächelt bedauernd. Die 60-jährige Kenianerin war eine Woche lang mit vier Landsfrauen in der Region unterwegs. Der Besuch galt dem Landfrauenverband Württemberg-Baden. Gemeinsam besuchten die Damen Brot für die Welt, die Aids-Hilfe Stuttgart, kleine Bauernhöfe, Pflegeeinrichtungen und zum Schluss auch Esslingen.

Von Gesa von Leesen

Die fünf Kenianerinnen arbeiten alle in Anti-Aids-Projekten. In dem 39-Millionen-Einwohner-Land sind nach Angaben von UNAids zwischen sieben und acht Prozent der Erwachsenen HIV-positiv. Odera ist die Chefin der Nicht-Regierungs-Organisation CISS (Community Integrated Support Service), die sich um Prävention bemüht und Erkrankten Mut machen will. „Wir ermuntern die Menschen, sich testen zu lassen. Und wenn sie tatsächlich infiziert sind, beraten wir sie in punkto ärztlicher Versorgung“, erklärt sie. Zudem gebe es Aufklärungskampagnen und sie versuchten, den Kranken zu einem menschenwürdigen Leben zu verhelfen. „Denn viele geben sich auf, wenn sie erfahren, dass sie positiv sind. Viele begehen auch Selbstmord.“
Den Kontakt zu den baden-württembergischen Landfrauen gibt es seit fünf Jahren. Damals besuchte eine Landfrauen-Delegation die Frauen in Kenia. Die Esslinger Kreisvorsitzende Anne Marie Schuster erinnert sich noch gut daran: „Beeindruckend war die Freude darüber, dass wir sie, die Frauen, in den Dörfern besucht haben, und nicht die Männer.“ In einem anschließenden Projekt sammelten die Baden-Württembergerinnen rund 50.000 Euro für CISS-Projekte. Odera berichtet, dass man davon Ziegen für kranke Frauen gekauft hat: „Die Milch ist besonders gut für sie.“ Nun kam also der Gegenbesuch, für den ganz bewusst kleine Höfe mit Ziegen-, Kuh- und Hühnerhaltung ausgesucht worden waren. Schuster: „Diese Tiere werden auch in Kenia gehalten und die Frauen sollen ja vergleichen können.“ Und kleine Höfe habe man auch deswegen genommen, „um zu zeigen, dass auch in Deutschland nicht alles riesig und glänzend ist“.
Doch auch kleine schwäbische Höfe sind für Kenianerinnen groß, erzählt Odera. „Wir haben vielleicht einen Hektar Boden, hier sind die Flächen immer groß. Die Art, das Land zu bestellen, ist ganz anders. All die Gerätschaften und Maschinen …“ Ihre Mitreisenden seien zudem tief beeindruckt vom allgemeinen Lebensstandard gewesen: „Hier ein Zimmer, da ein Zimmer, noch ein Zimmer – und das alles für eine Person!“ Bei ihnen zu Hause gebe es zwar auch Reiche, aber „die meisten sind arm“.
Eine Erfahrung aus dem Besuch will Odera in der Heimat anwenden: „Landwirte hier haben nicht nur Kühe oder nur Getreide. Der Betrieb ist breit aufgestellt. Das wäre auch für unsere Leute wichtig. Wir haben immer nur ein Standbein, wenn da was schief geht, ist gleich alles aus dem Gleichgewicht.“
Wie die Landfrauen nach Abreise der kenianischen Kolleginnen diese weiter unterstützen wird, weiß Schuster noch nicht: „Das müssen wir im Präsidium besprechen.“ Denn um Geld für Hilfen aufzutreiben, brauche es noch Ideen. „Das letzte Mal haben wir das mit Vorträgen über unseren Besuch in Kenia eingenommen. Nun müssen wir uns etwas Neues überlegen.“
Perez Odera und ihre CISS-Kollegin Herine Kawaka werden noch eine Zeitlang in Deutschland bleiben, denn beide haben hier lebende Töchter. Die anderen drei Kenianerinnen treten morgen (Dienstag) ihre Heimreise an. Bis dahin wollen sie noch mal durch die Stuttgarter Innenstadt bummeln und Souvenirs einkaufen. Was genau weiß Odera noch nicht: „Etwas typisch Deutsches. Vielleicht das Modell einer Kirche. Ihr habt so viele schöne Kirchen.“

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